„Oma,
das sind Rätselbilder“
Im Von der Heydt-Museum drängeln sich die Kinder
Klee, Miro, Nay, Hekckel, Marc, Paula Modersohn – Kunst
für Kinder? Im Wuppertaler Von der Heydt-Museum drängeln sich die
Kinder zwischen den Modernen. Mehr als 250 Schulklassen kamen 1992, darunter
141 Grundschulklassen. Und das Museumsatelier ist regelmäßig bis
auf zwei Monate im voraus ausgebucht.
Zu den Grundforderungen
zur Renovierung des Von der Heydt-Museums gehörte, die Räume des
Museums als Erlebnisräume zu gestalten. Als sich die Tore 1990 wieder
öffneten, war ein Palast eingerichtet worden im »schönsten
klassizistischen Bau des Rheinlandes«. Die Räume wurden als Erlebnisräume
gestaltet: Die Farben der Wände sind auf die Bilder abgestimmt, Licht,
Akustik in Harmonie mit den Gegebenheiten der Architektur vermitteln ein Ganzheitserlebnis
der Kunst im Museum.
Nach einer »Latenzphase«
von mehreren Monaten, in der sich durch Mund zu Mund-Propaganda die Attraktionen
des Museums unter Lehrern herumsprachen, strömten die Kinder scharenweise.
Für den Museumspädagogen Dr. Jessewitsch eine erfreuliche Entwicklung.
Was macht das Von der Heydt-Museum für Kinder so attraktiv? Es sind nicht
nur die Bilder, sondern vor allem wie sie als Kunstwerke den Kindern vermittelt
werden.
Anneliese Kempgen,
Schulleiterin a. D. aus Wuppertal, blickt auf eine lange Erfahrung im Umgang
mit Kunst und die sie erlebenden Kinder zurück. Einem gängigen Vorurteil
zuwider ist es nach ihrer Erfahrung gerade die moderne Kunst, Klee, Miro,
sind es die Farben bei Nay z. B., die Kinder faszinieren und zur Entdeckungsreise
herausfordern. »Oma, das sind Rätselbilder!« Und zusammen
mit den Kindern werden sie entdeckt und, Kinderfreuden entsprechend, auch
gelöst.
Für die mit
museumspädagogischen Aufgaben betraute Kunsthistorikerin Gisela Elbracht
ist die Erfahrung wichtig, daß Kinder gar keine Vorurteile gegen moderne
Kunst haben. Sie sehen sie intuitiv und deuten sie vielfach richtig. Natürlich
ist die Schwelle zum Museum mit Vorurteilen behaftet: »Drinnen gibt
es Dinosaurier und Ritter.« Das ist, was Kinder denken, wenn sie »Museum«
hören. Einmal drinnen, sorgen die Museumspädagogen dafür, daß
sich die Lehrer im Museum »zurücknehmen«. Nicht »Lernort«
ist hier angesagt, sondern »Erlebnisort«.
George Segals Environment
»Ruth in der Küche« ist im Von der Heydt-Museum so ein Erlebnisort.
Hier wird erste Kommunikation gestiftet. Bilder von Heckel, Marc, Paula Modersohn
und Emil Schuhmacher gehören ebenfalls dazu. Die zeitgenössischen
Bilder von Schuhmacher gehören zu den Lieblingsbildern der Kinder. Die
von ihm verwendeten Brandspuren, Schlieren, Risse wie auf »Gafron«
werden gedeutet als Vulkan, brennendes Haus.
Anschließend
wird im Museumsatelier gemalt: Aquarelle, besonders attraktiv die selbstbedruckten
Textilien. Jeder nimmt ein T-Shirt mit nach Hause. Für alle erfreulich:
Die Kinder kommen mit ihren Eltern wieder, wenn sie Zeit haben. Da teilt sich
Entdeckerfreude mit.
Christian Jarghoff,
Kollege von Gisela Elbracht, macht ähnliche Erfahrungen mit den Kindern.
Nach seiner Meinung ist es ein Vorurteil, Kinder seien heute konsumistisch,
wenig kreativ. Auffallend, daß vor allem Hauptschüler kommen, darunter
am meisten die Grundschulklassen 1 bis 4. Gymnasiasten lassen sich wenig sehen.
Sie ziehen das Museumscafé vor, das – als Attraktion von Daniel
Buren entworfen – mehrmals wöchentlich zu ihrem Treffpunkt wird.
Gelegentlich fällt dabei auch ein Museumsbesuch ab. Sie gehen selbständig
oder mit ihrem Lehrer. Vom museumspädagogischen Angebot machen sie wenig
Gebrauch.
Sali Allmuça
gibt am Von der Heydt-Museum Mal- und Zeichenkurse. Er ist ausgebildeter Maler
und Bühnenbildner aus Albanien. Seine Kurse sind gut besucht. Neben Ausstellungen
eigener Bilder möchte er auch die Resultate seiner Kurse ausstellen.
Was ihm fehlt, sind natürlich Räumlichkeiten. Das Von der Heydt-Museum
besitzt ja nur ein kleines Atelier, dessen Angebot die Nachfrage bei weitem
nicht deckt. Hildegard Krüger, Schulleiterin einer Grundschule in Wuppertal,
möchte am liebsten die Maler in ihre Schule holen: „Nachmittags
stehen die Räume der Schule doch leer.“
Thomas Illmaier
Drei Bilder mit Kindern und Innenansichten des Museums.
Neues Rheinland, 6/1993, S. 44-46.