Drei Minuten Himmer Zollenspieker Höhe von Svetlana Zunder

Drei Minuten Himmel
Genius loci Zollenspieker

Zollenspieker ist ein geschichtsträchtiger Ort: Hier kreuzten sich wichtige Handelswege. Hier zogen Heerscharen durch, gemeines Volk und gekrönte Häupter, Dichter und Denker, Maler und Musiker. So liest es sich zum Jubiläum des beinahe 1000 Jahre alten „Zollspeichers“, dem südlichsten vorgescho-benen Punkt Hamburgs an der Elbe, von wo aus man weit hinaus über den Strom – die Elbauen im Osten als Fernblick und die Marschlandschaften im Westen, durch die sich der Strom schlängelt, der die Tiede der nicht mehr so weit entfernten See ankündigt – blicken kann. Irgendwie weit draußen, frei schweift nicht nur der Blick über die Weiten der Landschaft mit dem uralten eiszeitlichen Strom, dessen Gezeiten den Takt rundum lebendigen Pflanzenwuchses, der sowohl aus atlantischer als auch kontinentaler Vielfalt besteht mit seltenen Arten, die sich nur im salzfreien Tidebereich finden wie Schierlingswasserfenchel, Einjähriger Beifuß oder die Elb-Spritzklette, bestimmen. Irgendwie weit draußen, das Gefühl hier zu sein, in einer Mischung aus Geborgenheit, ja Sicherheit, die der alte Schanzort noch heute vermittelt, und Freiheit des herrlich weiten Raumes, ist ganz unverstellt, nicht nur durch den unnachahmlichen Blick, der sich dem Weithinsehenden vermittelt, sondern auch durch das Wolkenspiel, das den Geheimnissen – der Elemente sichtbarstes Zeichen – der Natur wie von einer Empore aus, der Wolkenbank, zuzusehen scheint: duftig, weitschweifig, bewegt, ziehender Kontrast zur ebenmäßig fast tönenden, geschmeidig sich bahnende Tiefe des dunklen Flusses, welcher der Schwerkraft, aber auch der Macht des Fortschritts und der Zeit so nah verwandt ist. Drei Minuten Himmel ist der treffende Titel für Svetlana Zunders seriale Schau von Blicken tief in die Kumuluswolken, in denen sich Gestalt des Himmels verdichtet, der sich uns, den Nachgeborenen uralter nordischer Völker und ihnen noch immer sehr verwandt, atemlos eröffnet. Schauspiel, sich verdichtende Wolken, geballte Kraft der Transzendenz, Erholung des ruhenden Auges, das vernimmt, dass Himmel, dessen Boten diese Wolken sind, Überirisches kündend, also genau auf das zeigt, was uns der Himmel noch immer ist. In Zollenspieker ist all das merkbar; darum verweilt man hier so gern – nicht nur mit dem Auge sondern weilend als ganze Person, Mensch mit seinen ausgestreckten Sinnen sieht etwas von dem erklingen, das unhörbar wie die Wolken ist, die ziehen und verkünden Ewigkeit, ewig hehre Gegenwart. Ein Ort, wo sich so vieles kreuzt, man scheint mit dem Leben versöhnt und verliert, ach, und das ist das Größte, diese Furcht, die uns in die Niedrigkeit des Daseins zwingt. Was ist Tod angesichts so viel Leben, so viel Gott, Natur und unendliche Bewegung? Hier tankt man auf und kehrt heim.

Thomas Marcus Illmaier

Philosophia-online, 2009

Svetlana Zunder: Drei Minuten Himmel - Genius Loci Zollenspieker. Seriale Fotographie, 18 Augenblicke. Atelier SZ, Okt. 2009 bis März 2010.

Bild

Svetlana Zunder: Drei Minuten Himmel, Blick 15

Weiterführende Literatur

Thomas Marcus Illmaier: Augenblick und Serie. Svetlana Zunder - das fotographische Werk. 2005. www.philosophia-online.com/publizistik/z/zunder_2.htm

 

 

 

 

 

 

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