Edith WeberUngewohnte Kunst in Barmer Räumen:
Zwischen Teufelsbraten und Steckdosenheiligen

Wuppertal. Kürzlich war von katholischer Seite (KNA, 16. Oktober 1993) zu hören, daß, nach den Worten des Essener Musikwissenschaftlers Heinz-Albert Heindrich, der Ort religiöser Erfahrung immer mehr im Kunstbereich gesucht werden muß. Religiöse Erfahrung in der Kunst, so Heindrich, übersteige jedoch den abendländischen Kulturraum, und die Kirche müsse sich dieser Erfahrung öffnen, wolle sie nicht hinter der Weltentwicklung zurückbleiben. Die Jahresschau Wuppertaler Künstler unter dem Motto ,,Um Himmels willen“ in Barmen nun wartet mit Bildern und Skulpturen auf, die Professor Heindrichs These stützen könnten.
Harmlos wirkten noch die ,,Sieben Heiligen an einer Steckdose“ die Edith Weber präsentiert. Diese Heiligen ziert ein Heiligenschein aus Neonlicht. Könnte man sich dieses Kunstwerk in einem Schwesternwohnheim, einem Gemeindesaal oder gar einer Kirche vorstellen? Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten. Wo beginnt das Echte in Kunst und Religion, und wo hört die pseudo-sakrale Manie denn auf?
,,Als kleines Kind glaubte ich, daß der Teufel aussieht wie eine schreckliche Mischung aus Mensch und Tier: triefende, rote Augen, spitze Ohren, Pferdefuß und peitschenartiger Schwanz. Ungehorsame Menschen holte er tief unter die Erde und trieb sie mit seiner Mistgabel durch höllische Schrecken und Qualen.“ So erläutert Herlinde Grüter ihr Kunstwerk ,,Teufelsbraten“, eine Mistgabel, die, ,,um Himmels willen“, eine Kommunionskerze aufspießt.
Aber das ist noch nicht alles. Erschreckt wird der Besucher auch durch Peter Klassens Audio-Kunstwerk ,,Ein Hauch von Zen“, das durch Kontakt mit einer Lichtschranke ausgelöste Geräusche von sich gibt, die von Schießereien, Kriegsfilmen mitgeschnitten sind. ,,Ein Hauch von Zen“, das ist eine zynische Kolportage, weil Zen das japanische Wort für buddhistische Meditation ist.
Vollends aus den Fugen kippt der Verstand in der Konfrontation mit Theo Meyers Seeräuberstück. Kanisterkreuz, Dreieinigkeit in Schläuchen, Bibel aus Blei. Diese Konterbande kann man sich kaum noch mit der Würde des sakralen Raumes vereinbar vorstellen. Und doch reklamiert der Künstler für sich ,,christliches Bekenntnis“. Last but not least Ute Beckers ,,Dornenkrone“ mit einem Durchmesser von zwei Metern, wofür 1217 Keramikstäbe verarbeitet wurden. Das ganze liegt auf gehechseltem Rindenmulch und hätte wohl Platz im Kölner Dom. Diese Dornenkrone als Symbol der Passion Christi wirkt noch immer tiefgreifend, trotz des ungewohnten Materials.
Die Ausstellung in der Kunsthalle Barmen (Haus der Jugend) ist noch bis zum 16. Januar zu sehen.
Thomas Illmaier

Bild: „Sieben Heilige an einer Steckdose“ von Edith Weber.

DER WEG, 1/2/1994.

 

Seite Drucken zur Übersicht | Startseite