Der Doge ist tot, Venedig lebt
Das künstlerische Zentrum in einem Zyklus von Schirner
(til) Die Insignien der Macht und die Symbole der Religion sind nicht dasselbe. Beide schützen sie nicht vor dem freien Fall ins Nichts. In den Bildern von Hans-Günter Schirner, derzeit in der Galerie Schwan zu sehen, sind beide Aspekte, weltliche und spirituelle Macht zur Geltung gekommen, auch der freie Fall – ins Nichts.
Oft sind spirituelle Kraft und weltliche Macht schwer von
einander zu unterscheiden. Ihre Macht und Pracht über die Jahrhunderte
kann über die moderne Ernüchterung nicht hinwegtäuschen. Das
Maskenhafte der Akteure der Geschichte mit und ohne spirituellen Hintergrund
überwiegt.
Doch erinnere man
sich an Macht und Pracht der venezianischen Dogen, die einst byzantinische
Beamte waren. Als Bellini den Dogen Loredano (1505) malte, war schon viel
der ehemaligen Macht und Pracht vergangen. Der Doge, wie ihn Schirner 1992
malte, ist ein toter Mann wie Venedig eine sterbende Stadt ist. Und doch bleibt
Venedig ein künstlerisches Zentrum Europas. Biennale und einzigartiger
Reichtum der Geschichte machen diese Stadt dazu, deren Künste und deren
Diplomatie oft genug eine Brücke zwischen Kaiser und Kirche geschlagen
haben. So gibt der ,,Venedig“ Zyklus von Hans-Günter Schirner eine
Ahnung von der einzigartigen Rolle Venedigs bis in unsere Gegenwart hinein.
Gleichzeitig mit
den Bildern von Schirner stellt Hanna Markwort ihre Skulpturen in der Galerie
Schwan aus. Hanna Markwort favorisiert den Steatit (Speckstein), der in allen
Schattierungen von Rose, Anthrazit und Grün zu sehen ist. Elemente der
Versteinerung, wie sie bei Schirner durch Farbe und Symbolkraft aufgehoben
sind, gleiten bei Hanna Markwort durch die Hand der Künstlerin ins Unsagbare
der organisch-lebendigen Form.
Die Galerie Schwan, die sich durch ein besonders freundliches „Management“
auszeichnet, das Künstler, Interessierte und Sammler zu schätzen
wissen, öffnet für diese Doppelausstellung auch ihren Garten, wo
ein Teil der Skulpturen zu sehen ist. (Wichlinghausen, Schraberg 48, bis 20.
Juni).
Westdeutsche Zeitung / Generalanzeiger, 5. Juni 1992, S. 13