Galerie
Epikur
„Ich habe etwas zu sagen“
Autogramme gibt Nanny de Ruig zumeist als Musikerin. Noch
heute erinnern sich Fans an ihre Glanzzeit als Sängerin der Rockgruppe
,,Hölderlin“, die in den 70er Jahren mit ihrem weichen Folkrock
und deutschen Texten von sich reden machte. 1971 stieg sie aus dem Musikgeschäft
aus.
Zwanzig Jahre sind seit den ,,Hölderlin“ – Zeiten vergangen.
Die studierte Designerin und Schülerin des Malers Rudolf Schoofs zeichnete
zunächst viele Jahre lang ausschließlich figürlich. Als freie
Malerin präsentierte sie seit den 80er Jahren vor allem auf großen
Formaten – weg vom Gegenstand – Bilder ohne Titel, erzählend,
geheimnisvoll, mystisch. Seelenlandschaften nennt sie diese Bilder, die zur
Zeit in großer Breite von der Galerie Epikur im Alten Bahnhof Zoo, dem
jetzigen Galerie-Restaurant ,,Chicano“, gezeigt werden.
Das Wort mystisch
ist Nanny de Ruig sehr wichtig. Sie malt geheimnisvoll, weil durch die technisierte
Umwelt die natürliche, ahnungsreiche Wirklichkeit einer unfassend schöpferischen
Welt reduziert und ausgeblendet wird. Nanny de Ruig hat das Bedürfnis,
sich malerisch zu äußern. Sie stamme zwar, wie sie sagt, aus einem
streng calvinistischen Elternhaus, verfolge aber mit ihren Bildern keine Absicht,
drücke mit ihnen keine Botschaft aus. ,,Aber ich habe etwas zu sagen.“
Besonders seit Anfang
90er Jahre werden Nanny de Ruigs Bilder schön. So schön, daß
ein Freund der Künstlerin sie als ,,Happy Art“ bezeichnete. Das
Lyrische in ihren Bildern: Schönheit, Farbe, Harmonie erzählt bislang
noch eine unendliche Geschichte.
,,Happy Art“
ist etwas, was man, nach Auffassung der Künstlerin, bis zu einem gewissen
Grad lernen kann. Nanny dc Ruig spricht aus Erfahrung; denn sie leitet seit
mehreren Jahren eine maltherapeutiscbe Gruppe, bestehend aus jungen Arbeitern
einer Wuppertaler Fabrik. Diese guten Erfahrungen waren der Ausgangspunkt
für die Gründung von SPINART, einem in Zusammenarbeit mit geschulten
Psychologen gegründeten Verein mit sozial- und maltherapeutischer Zielsetzung.
Was Nanny de Ruig als Rocksängerin liebte, nämlich den Life-Auftritt,
das pflegt sie als Malerin auch heute noch: Zusammen mit einem Schlagzeuger
und einer Tänzerin malt sie life vor Publikum. Dabei stimmen sich Musik,
Tanz und Malerei aufeinander ein und präsentieren Life-Kunst spontan;
denn eine einzige Kunst drückt das Leben nicht vollständig aus.
Thomas Illmaier
Nanny de Ruig ,,Malerei auf Papier“ im Galerie-Restaurant Chicano“ (ehemaliger Bahnhof Zoo) Wuppertal, Siegfriedstraße 34. Täglich ab 15 Uhr Ausstellung, in Zusammenarbeit mit der Galerie Epikur Wuppertal, bis zum 31. August 1994.
DER WEG, 30/1994, S. 6.
Bilder: „Ohne Titel“ (1991) von Nanny de Ruig, Nanny de Ruig (Foto).