Natur erfassen – Natur zum Anfassen
Die ,,Station Natur und Umwelt“ braucht für ihr
Anliegen nicht zu werben. Die Menschen besuchen sie ohnehin. Worum geht es
hier? Die ,,Station Natur und Umwelt“ ist eine Umweitschutzeinrichtung
der Stadt Wuppertal. Es handelt sich um ein Naturlehrgebiet und einen Schulgarten.
Hier können Kinder, Schüler und Erwachsene hautnah erproben, was
die Natur zu bieten hat, wie man mit ihr umgeht und sie verstehen lernt.
Neben dem Naturlehrgebiet
auf dem Hahnerberg an der Grenze nach Cronenberg bietet die Station auch ein
Labor, wo die Erfahrungen vor Ort ausgewertet werden, dazu Tagungsräume
und last not least ein ausgebildetes Fachpersonal. Unter der Leitung von Wolfgang
Roesler, der die Verantwortung für die Station gegenüber dem Garten-
und Forstamt trägt, sind als Gärtner Peter Noeltze und als Lehrer
Rainer Hoelterhoff tätig. Ihnen zur Seite stehen zwei bis drei Zivildienstleistende,
die ebenfalls das Gärtnerfach erlernt oder einen pädagogischen Beruf
absolviert haben.
Die Station Natur
und Umwelt wird vor allem von Schulklassen besucht. Diese Besuche sind aber
keine klassischen Museumsbesuche, bei denen die Schüler durch das vier
Hektar große Naturlehrgebiet geführt werden. Vielmehr handelt es
sich um eine Art Lehrgang unter dem Motto ,,Natur erfassen – Natur zum
Anfassen“. Das beginnt schon mit dem Betreten des Naturlehrgebietes.
Auf herkömmlichen Wegebelag wurde verzichtet. Statt dessen wandelt der
Besucher und Teilnehmer an dieser praktischen Exkursion auf einem Rindenmullweg,
was äußerst angenehm ist und dazu noch würzig duftet. Über
die feuchtnassen Areale führen Holzstege, die, je nach Witterung, ausgebessert
und instandgehalten werden müssen.
Der Schulgarten und
das Naturlehrgebiet auf der ehemaligen Hofschaft Hipkendahl, die seinerzeit
dem Straßenbau der L 414 weichen mußte, bieten eingangs einen
Giftgarten. Da es immer wieder zu Vergiftungen beim unsachgemäßen
Verwenden von Giftpflanzen kommt, wird hier das natürliche Vorkommen
unserer wichtigsten, wildwachsenden Giftpflanzen studiert, etwa der Fingerhut
oder der Buchsbaum, deren sachgemäßer Gebrauch sehr oft heilende
Wirkung zeigt. Der Schüler lernt die schwergiftigen von den weniger giftigen
Arten unterscheiden. Je nach Thematik oder Interesse können sich Schüler,
Studierende oder interessierte Besucher den sumpfigen, in natürlicher
Flora sich darbietenden Naturlehrgebieten zuwenden. Oder sie widmen sich dem
künstlich angelegten Steinbruch, der übrigens wie jede andere Abteilung
des Naturlehrgebiets seine natürliche Tierwelt anzieht. Hier wurden schon
Marder und Wiesel entdeckt. Auch die natürliche Vogelvielfalt stellt
sich ein. Interessant sind überdies die sogenannten Sukzessionsgebiete.
Gezeigt wird hier, was die Natur unternimmt, um Ruinen zu überwuchern.
Große Steine, zum Teil von weit her aus dem Bundesgebiet geholt, dienen
hier als Attrappen. Wie sich ein Urwald bildet im Kleinen, im Selbstlauf der
Natur ist hier erfahrbar. Im Übergang von Wiesen zum Erlenweidenbruch
kann man nachvollziehen, wie ein Wald entsteht. Alle Biotope greifen ineinander,
sind ökologisch voneinander abhängig.
Was kennzeichnet
einen gesunden Boden, ein gesundes Biotop? Finden wir in den Mooren (hier
im Kleinen simuliert) die Drosera, den Sonnentau, jene kleine fleischfressende
Pflanze, darf man annehmen, der Boden ist in Ordnung. Die Bodenversauerung,
die große Gefahr für unser ökologisches Gleichgewicht, kann
hier an Ort und Stelle untersucht werden. Die Meßwerte vor Ort sind
zum Teil alarmierend mit Werten um 2 pH. Deshalb ist es der Stadt Wuppertal
zu danken, daß sie nach einstimmiger Beschlußfassung aller vier
Ratsparteien die Umweltschutzeinrichtung 1984 ins Leben rief.
Es ist ja noch gar
nicht so lange her. Noch in den 50er Jahren war es allgemein üblich,
daß zu den Schulen ein Schulgarten gehörte. Seit den 60er Jahren
kommt die Pflege des Schulgartens viel zu kurz. Erst neuerdings werden Schulgärten
wieder in der Schulplanung berücksichtigt. Die Station Natur und Umwelt
besitzt neben dem Naturlehrgebiet auch einen Schulgarten. Er wurde wie das
ganze Naturlehrgebiet auch von Schülern selbst angelegt. Heute können
sie und die Generationen, die nach ihnen kommen, die Früchte ernten.
Das im wahrsten Sinne des Wortes: Denn hier wird gesät und geerntet.
Selbst seltene Getreidearten wie der inzwischen wiederentdeckte Dinkel werden
angebaut. Gedüngt wird übrigens auf rein biologisch-dynamischer
Grundlage, sprich mit einem Distelpräparat, das zwar ebenso intensiv
stinkt wie Jauche, aber auf rein pflanzlicher Basis angesetzt wird. Es hat
den Vorteil, daß es auch als Schädlingsbekämpfungsmittel dient.
Die Aufgabe der Station
Natur und Umwelt ist natürlich nicht bloß landwirtschaftlicher
Art. Sie erfüllt auch einen pädagogischen Zweck. Schüler lernen
die Natur zu achten, zu pflegen, ihre Früchte zu ernten und mit ihr zu
kooperieren. Ein Gespür für Heilsames und Unheilsames in der Natur
wird hier geweckt. Im übrigen spricht der Unterricht vor Ort eine alte
Tradition neu an. Früher wurden Heimat- und Naturkunde sehr oft draußen
,,im Wald und auf der Heide“ abgehalten. Mit der Verstädterung
des Menschen hat das aufgehört. Bedauerlich, daß viele Kinder so
um wesentliche Erfahrungen gebracht werden. Die ,,Station Natur und Umwelt“
will Abhilfe schaffen. Manche Klassenkurse finden kontinuierlich und parallel
zu Jahreslauf und Fruchtfolge über mehrere Monate statt. Das Garten-
und Forstamt der Stadt Wuppertal gibt gerne weitere Auskünfte.
THOMAS ILLMAIER
Foto: Kinder in der Station Natur und Umwelt.
Bergische Blätter, 17/1992, S. 5.