Otto Roche
Politischer Bildung Respekt verschafft
Willi Brandt schickte ein Grußwort. Harald Nowottny, Intendant des WDR,
erschien persönlich zum 30jährigen Bestehen der Politischen Runde
Wuppertal, deren Leitung in den Händen Otto Roches liegt. Otto Roche,
der bewährte Schulmann, wie ihn das Wuppertal Magazin nannte, geht 1992
in den verdienten Ruhestand; Anlaß und Gelegenheit für einen Rückblick.
Otto Roche, Schlesier
aus Neiße, wohin sich Eichendorff zurückzog und starb, lernte das
Großdeutsche Reich noch als Pimpf kennen. 1929 geboren, gilt er, wie
die Zeitgenossen seines Jahrgangs auch, als unbelastet mit nationalsozialistischer
Vergangenheit. Nach dem Studium der Germanistik und Geschichte in Leipzig,
Erlangen und Köln tritt Otto Roche als Gymnasiallehrer in den Schuldienst
ein. Am Carl-Duisberg-Gymnasium in Wuppertal ist er von 1956-1950 Pauker,
wie er sich selbst gerne nennt, sorgt dafür, daß seine Kinder Deutsch
und Geschichte lernen.
Nach dem Berliner
Mauerbau 1961, der Otto Roche und einen Kreis Interessierter nach Berlin führt,
wird der Grundstein für die Politische Runde gelegt, die sich seit den
60er Jahren herausbildet und zum festen Programm der Volkshochschule Wuppertal
wird. Der bewährte Schulmann bringt seine Erfahrungen als ,,Pauker“
ein; die Politische Runde wird als echte Chance zum Lernen begriffen. Als
Schulmann sorgt er dafür, daß die Themen, heißen sie nun
Mauerbau, Kubakrise oder schlichtweg Spiegel-Lektüre, interessant und
spannungsreich gestaltet werden. Das Geheimnis einer 30jährigen Volkshochschulrunde,
deren Kontinuität nicht abreißt, weiß Otto Roche zu lüften.
Zunächst Spannung: Die politischen Themen dürfen nicht abstrakt
behandelt werden, sondern müssen zum Anschauungsunterricht werden, der
Geschichte hautnah erleben läßt. Reisen an Ort und Stelle, die
Einbeziehung der Teilnehmer in die Gestaltung der Runde durch Referate, Vorträge,
Diskussionsveranstaltungen, das versierte Urteil von Fachreferenten, all das,
was der Schulmann ,,Strukturlernen“ nennt. Es weist allseitige Zusammenhänge
auf und macht dadurch erlebbar, daß nichts isoliert im Raum stehen bleibt.
Sicher kamen die politischen 60er Jahre der Politischen Runde entgegen. 1968,
auf dem Höhepunkt der Studentenrevolte, lud man sogar Studentenführer
aus Berlin nach Wuppertal ein. An heißem Stoff für Diskussionen
und Lemabende am Beispiel lebender Akteure der Geschichte hat es sicher nicht
gefehlt.
Natürlich ging
es für Otto Roche auch im Berufsleben weiter. 1950 wird er Direktor des
Abendgymnasiums Wuppertal und gründet nach zehn Jahren der Erfahrungen
des praktizierten zweiten Bildungsweges 1978 das Bergische Kolleg. Otto Roches
Fachwissen, seine Kompetenz und nicht zuletzt seine politische Integrität
machen es ihm immer wieder möglich, Gegensätze zusammenzuführen
und gangbare, praktizierbare Lösungen ins Werk zu setzen. Er wird Dezernent
beim Regierungspräsidenten in Düsseldorf und ist nunmehr betraut
mit allen hoheitlichen Aufgaben, die die Schulaufsicht für die Schulen
des zweiten Bildungsweges mit sich bringt.
Und natürlich
wächst auch seine Politische Runde weiter, an Mitgliedern, an Jahren.
Zu den Lokalthemen und Deutschlandansichten kommen nun die Weltpolitik, die
Fernreisen und nicht zuletzt der Ruf, der politischen Bildung wieder mehr
Respekt verschafft zu haben. So nimmt Otto Roche auch seit zehn Jahren schon
einen Lehrauftrag für politische Bildung an der Bergischen Universität
Wuppertal wahr. Thema des Wintersemester 1992/ 93 ,,Die politische Bildung
und die neue nationale Frage“.
Nicht nur in der
Politik sind Otto Roches Fähigkeiten gefragt. Auch in der Kunst bemüht
man sich um ihn. Kunsthistorische Vorträge hat Otto Roche immer gerne
gehalten, dazu Kunstausstellungen eröffnet und, wo es ging, auch namhafte
Künstler aus dem Ausland nach Wuppertal geholt. Schließlich trat
die Bergische Kunstgenossenschaft (BKG) an den Schulmann, den Organisator
und Schrittmacher so vieler erfolgreicher Veranstaltungsprojekte heran und
bat ihn um Mitwirkung. Seit nunmehr zwei Jahren hat er ehrenamtlich deren
Vorsitz inne.
Ausscheiden aus dem
Schuldienst, für Otto Roche Anlaß, sich zurückzuziehen? Er
zieht sich zwar aus der aktiven Schulpolitik zurück, aber Politische
Runde und BKG werden auf seine Leitung weiter bauen können. Sein Ziel:
in Wuppertal „spannende Zwischenräume schaffen“, denn diese
„Stadt, die sich nicht schminkt“ (Heinrich Böll), kennt Otto
Roche viel zu gut, um sie sich selbst zu überlassen.
THOMAS ILLMAIER
Ein Foto zeigt Otto Roche.
Kontakt:
Otto Roche, Mittlere Bergerheide 20,
5600 Wuppertal 1
Bergische Blätter, 16/1992, S. 9.