Wiegen die Engel die Hölle auf?
Doris Pollatschek zeigt Relief-Fayencen in der Alten Synagoge

Fast angerempelt habe man sich im engen Gang des Flugzeugs nach Tel Aviv, erzählt I)oris Pollatschek, und dann habe ihr Gegenüber auch noch ein dickes Butterbrot verzehrt! ,,Wer ißt denn so früh morgens schon ein Butterbrot?“ fragt sie, und das Gegenüber entschuldigt sich mit der langen Reise. Ein Wort gibt das andere. Beide entdecken, daß sie aus Wuppertal sind. Doris Pollatschek ist hier geboren. Ihr Gegenüber ist niemand anderes als Ursula Kraus, Wuppertals Oberbürgermeisterin.
Fünf Jahre hat es gedauert, bis die erste Ausstellung mit Werken von Doris Pollatschek in Wuppertal zustandekam. Sie zeigt Relief-Fayencen und Kleinplastiken in der Begegnungsstätte Alte Synagoge. „Von der Hölle und den Engeln“ heißt die Ausstellung. Sie wird nur noch bis zum 26. März 1995 zu sehen sein.
Doris Pollatschek, die als Jüdin 1934 emigrieren mußte, hatte sich immer gefürchtet, nach Deutschland zurückzukehren. Ja, überhaupt an den Holocaust zu denken, war ihr unmöglich. Wobei Holocaust, wie Doris Pollatschek feststellt, nicht das richtige Wort ist. Hobcaust bedeutet Opfer. Deshalb sprechen die Juden von Schoah, von Vernichtung. Erst die Begegnung vor ein paar Jahren, als sie das Haus des Großvaters in Hagen wiedersah, brachte den Stein ins Rollen. Sie konnte sich plötzlich wieder an Einzelheiten der Kindheit erinnern.
Inzwischen setzt sie sich künstlerisch mit ihrer Vergangenheit auseinander. Das sei eine Pflicht, wie sie sagt. Aber es bedeutet auch eine Seelenmarter; denn wenn sie an den Schoah-Themen arbeitet, wird sie mitunter so davon ergriffen, daß sie weinend die Arbeit unterbrechen muß. So stockt auch dem Betrachter ihres ,,Triptychon für Auschwitz“ der Atem, und es ist eine Belastungsprobe, damit man prüft, wie schwer denn eigentlich der ,,Engel mit der Taube“, der ,,Himmlische Bote“ oder die Bilder zum ,,Hohelied“ wiegen. Wiegen die Engel die Hölle auf?
Doris Pollatschek aus Jerusalem zeigt Relief-Fayencen und Kleinplastiken ,,Von der Hölle und den Engeln“ in der Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal, Elberfeld, Genügsamkeitsstraße, bis zum 26. März 1995. Dienstags bis donnerstags 11 bis 18 Uhr, freitags und sonntags 12 bis 17 Uhr. Die Künstlerin ist anwesend.
Thomas Illmaier

DER WEG, 12/1995.

 

 


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