Karl Ernst Osthaus-Museum HagenKampf um Aufmerksamkeit
Karl Ernst Osthaus-Museum Hagen

Im Zeitalter der Massenmedien hat ein modernes Kunstmuseum einen schweren Stand. Das Karl Ernst Osthaus-Museum Hagen, mit einem Etat von 40.000 Mark im Jahr für Neuankäufe, hätte eigentlich schon längst geschlossen werden müssen. Direktor Michael Fehr gelang es, Mittel aus Bund und Ländern, auch aus privater Hand zusätzlich heranzuziehen, die ein Überleben des Museums gestatten. Ein Nachdenken über Marketing-Konzepte genügt allerdings nicht, um ein Museum in der Medienlandschaft, in der Museumslandschaft Deutschlands wie auch international konkurrenzfähig zu gestalten, es – mir einem Wort – langfristig zu profilieren und populär zu erhalten.
Ein Museum denkt über sich selber nach. Sigrid Sigurdsson installierte im Karl Ernst Osrhaus-Museum einen musealen Raum. »Vor der Stille« heißt er. Was ein Museum der alten Zeit kennzeichnete, wächst hier symbolisch weiter: als Erinnerung. Folianten, Archive, Bücher, Nischen, in denen ein Stück Geschichte nostalgische Erinnerung weckt. Geheimnis. Das soll nicht weggewischt, nicht verbannt werden aus einem Museum, aber auch nicht die Idee eines Museums, nämlich »Tanzplatz der Musen« (so lautet die Übersetzung aus dem Griechischen) zu sein, verdunkeln.
Man findet im Osthaus-Museum auch die extremen Möglichkeiten einer Kunst, »Botschaften des Faktischen« (Gerhard Auer) zu vermitteln, und das in Konkurrenz zu den Medien, der Technik, die offenbar hauptverantwortlich für die Krise unserer Wahrnehmung sind, als die sich die Umweltkrise im Kern für Direktor Fehr darstellt. Wen wundert es nicht, wenn das Osthaus-Museum mit Ausstellungen wie »Menschen nach Maß« - Michael Baduras Computermodelle einer genmanipulierten Menschheit; mit »Thema: Aids« oder der für den Herbst 1994 geplanten Kunstausstellung »Platons Höhle« auf sich aufmerksam macht. Wohlgemerkt im »Kampf um die Aufmerksamkeit der Menschen« (Michael Fehr) aufmerksam macht auf ihre von den Massenmedien geprägten Wahrnehmungsmuster und Gewohnheiten. »Platons Höhle« wird dann auch Hugo Kükelhaus‘ »Erfahrungsfeld zur Entfaltung der Sinne« präsentieren, außerdem eine Videoeinschaltung zum Bonner Frauenmuseum und neben vielen anderen Sonderbarkeiten unserer Welt und der sie wahrnehmenden Sinne das »Wohnzimmer 2000« präsentieren, mit allen Segnungen der Bild- und Nachrichtentechnik; kurz: das wird ein Erleben – Erkennen – Erinnern in «Platons Höhle« sein.
Das Karl Ernst Osthaus-Museum steht – das sei den Fans der Millionen teuren Bilder von Otto Dix, Feininger, Christian Rohlfs, Archipenko oder Emil Schumacher, alle im Osthaus-Museum zu finden, in Erinnerung gerufen – dieses Museum steht in der Tradition seines Begründers. Karl Ernst Osthaus vertrat die Idee der Versöhnung von Kunst und Leben und nannte sie Folkwang. Es ist der Name für die Halle der germanischen Frühlingsgöttin. Daher erklärt sich auch im Altbau des Hauses der schönste Jugendstil nach Entwürfen des Architekten van de Velde. Natur und unsere Wahrnehmung des Gesamtzusammenhangs dessen, was heute so gefährdet ist und mit Leben wohl und auch ganz unpathetisch ausgedrückt werden kann, wird im Souterrain des Hauses aufbewahrt. Hier präsentiert Herman de Vries seine »narural relations« vom Fliegenpilz bis zum Bilsenkraut, vom harmlosen Grashalm bis zum Trockengewächs einer Mimose. Wie sehen wir Natur? Michael Baduras »Eingeweckte Welt« dagegen zieht unsere chemisch gedünstete Umwelt auf Weckflaschen und zeigt »Gleichnisse von unverwechselbarer Künstlichkeit« (Gerhard Auer). Den Eingang des Karl Ernst Osthaus-Museums ziert der Spruch A JUNK OF ARTS IS A JOY FOR NEVER (der Abfall der Kunst ist niemals eine Freude), eine Persiflage des Originals von John Keats: »A piece of art is a joy forever« (ein Kunstwerk ist eine Freude für immer). Hier kündigen sich Chancen von hohem Erlebniswert an.

Thomas Illmaier

Bilder (von oben nach unten)

1) Johann van Geluwe, Installation „Kabinett des Konservators“
2) Sigrid Sigurdsson, „Vor der Stille“
3) Michael Badura, „Menschen nach Maß“

Westfalenspiegel, 3 / 1994, S. 53.


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