Frauenmuseum
Bonn
»Stadt der Frauen« - Blick in die Geschichte
Als Bonn 1294 die Stadtrechte verliehen bekam, erwarb sich
die Stadt zugleich das Privileg, eine Stadtmauer anzulegen. Erst diese Mauer
machte die kleine Siedlung am Rhein zur Stadt. Zu diesem Jubiläum wartet
das Frauenmuseum Bonn mit einer großangelegten Schau »Stadt der
Frauen« auf. Stadtluft macht frei – das galt auch für Frauen,
die mit der Landbevölkerung, einmal aus dem Frondienst entlassen, in
die städtischen Siedlungen des 12. und 13. Jahrhundert zogen. Doch wurden
die Stadtmauern auch bald zu Gefängnismauern; denn die Rechte der Bürgerinnen
wurden im Zuge der Verstädterung beschnitten, so daß Frauen ohne
männlichen Vormund nicht wirtschaften konnten. Christine de Pizan veröffentlichte
1405 ihr utopisches Buch »Stadt der Frauen«, hundert Jahre vor
Campanellas und Thomas Morus’ Utopien. Sie reagierte damit auf die zunehmende
Frauenfeindlichkeit ihrer Zeit, indem sie den Frauen Mut machte, trotz Anfeindung
und Scheiterhaufen an der Vision der »Stadt der Frauen« festzuhalten.
Die Bonner »Stadt der Frauen« wurde von über 30 Künstlerinnen
gebaut, unter ihnen auch Yoko Ono, die Witwe von Beatle John Lennon. Sie machen
das mittelalterliche Leben der Frauen transparent, indem sie es in ihren heutigen
Kunstwerken widerspiegeln. So entstehen »Madonnen 1988«, die Tremezza
von Brentano malte. Daß die alten Ängste noch nicht überwunden
sind, zeigt Lili Fischers »Scheusalverlies«.
Zur Besichtigung werden an die Besucher Grubenlampen ausgegeben. Ein Bad im
Rhein kann per Videoinstallation mitverfolgt werden. Tine Wilde erinnert damit
an die Bitte der Kölnerinnen, deren rituelle Waschungen im Rhein vom
Unheil eines ganzen Jahres befreien sollten. Daß eine »Stadt der
Frauen« entstehen konnte, ist nicht zuletzt dank modernster, von der
Telekom gestifteter Technik möglich. So entstanden Szenarien aus spätmittelalterlicher
Geschichte und zeitgenössischer Kunst mit sehr hohem Erlehniswert. (Bis
2. April 1995. Katalog 64,-DM.)
Thomas Illmaier
Bild: Modell von Eva Jepsen-Föge zur Bonner Ausstellung „Stadt
der Frauen“.
Neues Rheinland, 2/1995, S. 29-30.