manThomas Illmaier

Die Schönheit der Musik

Tag und Traum: Jean Claude Mara auf seiner Panflöte vermag einen heilenden Einfluß auf alle geistig-seelischen Verrenkungen, Verkrüppelungen unserer Psyche auszuüben. Beim Anhören seiner Musik entwirren sich die Probleme und klar erklingt das, was einzig wahr und wirklich ist. ,,Tag und Traum“ (Bauer) enthält Kompositionen von Jean Claude Mara, die in die Tiefe des Seins führen. Das baut sich langsam auf, beim vierten Stück ,,Mawlana“ ist die Reise mitten angekommen. Transzendenz im Mitten hier, im Zentrum des Seins, des Geschehens, erklingt der Ton, der einzig ins Zentrum der Dinge führt. Die Schlichtheit des Spiels bei meisterhafter Handhabung des Instrumentes überzeugt: Was wahr ist, braucht keine Ekstase; keine Exaltiertheit: Die Wahrheit, das ist hier und jetzt – Einheit und Reinheit des Seins, kommt nirgends besser zum Ausdruck.

Offenbarung: Im Englischen sind Mann und Mensch nicht eigens unterschieden. ,,Man“ heißt die Gruppe und der Titel ihrer Komposition ,,Revelation“ – Offenbarung (Repertoire Records). Was diese Gruppe 1950 mit ihrer Komposition bewirkte, ist schwer einzuschätzen. Vor allem, woher hatte sie das Wissen von Ewigkeit und Zeit, von Offenbarung, das Sein des Menschen erhellend? ,,Ewigkeit“, heißt es am Schluß, ,,wird so klein, auf der Handfläche des Menschen. Er selbst wird die Ewigkeit sein, Anfang und Ende nirgendwo.“ Diese Komposition aus dem Herzen der Jugend zu hören, heißt die Träume, die Sehnsüchte und die Freude der Jugend zu teilen.

Die Beschwörung: Toshita Suito suchte die heiligen Orte auf, die sich in und um Kyoto befinden, zumeist in einer mehr oder weniger unberührten Natur zu Zeiten, wenn die Leute schlafen, Flugzeug- und Autogeräusche auf ein Minimum beschränkt sind. Mit seiner Flöte stimmt Toshita in den Gesang der Stille der Natur und die Ruhe der heiligen Orte ein. Hier werden Morgennebel virtuos variiert, der Gipfelpilgerweg beschritten oder der Poesie des Windes gelauscht. Mit allem wird Toshita Suito in seinem Flötenspiel eins; er beschwört die religiösen Zeremonien der Vergangenheit oder einfach den Geist des Ortes heiliger Kraft. ,,Die vier Jahreszeiten in Kyoto“ (Zweitausendeins) stellen im Laufe des Jahres den Hintergrund, vor dem sich Toshita Suitos Flötenspiel entfaltet: In die Leere des ausschwingenden Tons, etwas vom Urlaut des Nirvana erklingend.

Der Gang der Sonne: Aufgang, Untergang, Nachtschatten erklingen auf dem ,,mystischen Piano“, dem Moog-Synthesizer des Komponisten und Arrangeurs Rick Wakemann. Was er an Stille und Atmosphäre der Isle of Man, seiner englischen Heimat, einfängt, lädt zum Träumen ein, die breite Woge des Schlafes, der träumend alle Register zieht. Seine Sonnentrilogie (Sattva Art Music) ist von dem sanften Bruder des Todes, dem Schlaf, inspiriert, ohne doch eigentlich Langeweile zu kennen.

Hinübergehen: Joachim-Ernst Berendt versammelt die ,,Wunder des Spätwerks“ verschiedener Komponisten von Monteverdi bis Olivier Messiaen. Die Komponisten träumten vom Ende, ahnten jenseits voraus. Diese Ahnung fließt ein in ihr Spätwerk. Besonders beeindruckend die kaum je publizierte Aufnahme von Bachs ,,Kunst der Fuge“ in der Instrumentation von Hermann Scherchen. Eigens für diese Sammlung wurde Hayko Siemens an der Neuen Bach-Orgel der Erlöser-Kirche Homburg tätig: ,,Vor Deinen Thron tret‘ ich hiermit“ (BWV 668). Zu den ausgesuchtesten und exquisitesten Aufnahmen hat Joachim-Ernst Berendt kommentierend ein Buch unter dem gleichen Titel geschrieben. ,,Hinübergehen“ (Zweitausendeins) ist ein Programm für die Ewigkeit.

Among Friends: Können Pflanzen miteinander kommunizieren? Sternenwelten, wir suchen schon lange den Kontakt. Steven Halpern macht es möglich: Seine Klänge bezaubern die Welt, die sonst für uns unhörbar ist. ,,Among Friends“ (Oreade) läßt auch die Flöte von Paul Horn hören, die Violine von Daniel Kobialka, Harfen, Lyricon und viel der guten Stimmung, die zur Kommunikation mit dem Unbekannten gehört genauso wie absolut einfühlsame Musikalität.

Keltische Harfe: Die keltische Volksharfe, wie sie noch heute in Irland gespielt wird, findet ihren Meister in Patrick Ball. Seine exquisite, glockenreine Ausdruckskraft der so harmonischen Töne dieses natürlich sehr alten Instrumentes beglücken. Keine Wissenschaft und keine künstliche Musik kann die menschlich reine Freude je erzeugen! Patrick Ball spielt in seinen Liedern unter anderem die Musik von Turlough O’Carolan sowie in ,,Distant Time“ (Fortuna) traditionelle Harfenstücke, wobei die Harfe die mythische Geschichte ahnungsreich erzählt.

Esoterik und Wissenschaft, Jan.-April 1994, S. 42-43.

 


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