Marschen,
Moore, Wiesen und Äcker
als etwas ,,echt Deutsches“
Ausstellung Worpsweder Maler im Von der Heydt-Museum
Deutschland hatte 20 Jahre nach der Reichsgründung von
1871 keine eigene Malerei. So schielte man neidisch nach Frankreich hinüber,
wo die Kunst in Blüte stand. Im wahrsten Sinne des Wortes; denn der Impressionismus
feierte gerade seine Triumphe. 1895 war das schlagartig vorbei; denn nun konnte
man etwas ,,echt Deutsches“ präsentieren: Die Werke der Worpsweder
Maler Fritz Mackensen, Otto Modersohn, Hans am Ende, Fritz Overbeck und Heinrich
Vogeler, die jetzt im Von der Heydt-Museum zu sehen sind. Die Maler hatten
sich zur Künstlerkolonie Worpswede zusammengeschlossen und traten gemeinsam
als Gruppe auf. Das Signal wurde 1895 in Bremen gegeben. Die Worpsweder Maler
stellten ihre wunderschönen Marschlandschaften, Moore, Wiesen und Äcker,
lichtblaue Himmel und Birken, die sich spielend in den Himmel ranken –
der Jugendstil kündigte sich bereits an – in der Bremer Kunsthalle
aus. Zur Ausstellung erschien auch Eugen Ritter von Stieler, der einflußreiche
Präsident der Münchener Künstlergenossenschaft, und entdeckte
die Worpsweder für den Münchner Glaspalast, wo noch im selben Jahr
eine große Ausstellung arrangiert wurde. München und Bremen machten
die Worpsweder Maler berühmt.
Endlich – die
Presse überschlug sich fast – hatte Deutschland seine Malerei zu
bieten: Ja, von dieser norddeutschen Kunst, die den Acker und die Marsch,
den Menschen in der Einöde und unter Gottes freiem Himmel feierte, sollte
die Gesundung des deutschen Volkes ausgehen. Man knüpfte mit dieser Malerei
an die französischen Maler der Schule von Barbizon, Corot, Daubigny und
Rousseau an, lehnte den nachfolgenden Impressionismus jedoch ab, und zwar
wegen seiner formauflösenden Tendenz.
Der Ruhm der Maler
aus dem Worpsweder Dorf war groß, brachte ihnen Anerkennung und Geld,
das ihnen eine freie Existenz als Maler sicherte. Aber der Erfolg war bald
verflogen. Bereits 1897 waren sie eigentlich überholt, uninteressant
geworden. Der Markt hatte schlechte Verkaufszahlen zu verbuchen; der Ruhm
blieb ihnen zwar, aber als Gruppe hatten sie sich überlebt und gingen
auseinander. Der Expressionismus klopfte bereits an die Tür und mit ihm
der Krieg, dessen Schatten und Melancholie bereits als Vorgriff in den Bildern
der Worpsweder spürbar war.
Thomas Illmaier
Der Durchbruch. Die Worpsweder Maler 1895 bis 1995. Von der Heydt-Museum bis
14. Januar 1996, Dienstag – Sonntag 10 – 17 Uhr, Donnerstag 10
– 21 Uhr. Führungen unter Telefon 563-2594.
DER WEG, 48/1995. Bild: „Gottesdienst im Freien“ von Fritz Mackensen.