Mahnung
und Genuß
Theologin und Künstlerin: Barbara Held-Weidner
Wuppertal. Rosa Luxemburg und ihre Sekretärin Mathilde
Jacob, die in Theresienstadt 1942 umkam, waren Freundinnen, mutige Frauen
und erhalten in der Kunst von Barbara Held-Weidner eine würdige Erinnerung.
Man wäre geneigt, an ,,würdiges Begräbnis“ zu denken.
Doch das aber ist nicht eigentliches ,,Geschäft“ und Aufgabe einer
Künstlerin.
Barbara Held-Weidner
aber ist eine Künstlerin mit ganz besonderem Hintergrund. Sie ist nämlich
Theologin und amtietre nach ihrem zweiten kirchlichen Examen in Unterbarmen-Ost,
auf dem Rott, als Hilfspredigerin. Bevor sie sich als Pfarrerin zur Wahl stellte,
sprang sie ab und widmete sich fortan der Kunst, vor allem der Malerei. Das
könnte überraschen.
Aber wem das Künstlerdasein im Blut oder wenigstens in der Wiege liegt,
wird sich spätestens in der Reife der Jahre auch dazu bekennen. Barbara
Held-Weidner hatte den Mut, einen sicheren Lebensweg zu verlassen, um sich
auf den unsicheren Weg des Künstlertums zu begeben.
Bei der Wahl ihrer
Themen ist Barbara Held-Weidner wählerisch. Aber eigentlich wählt
sie
nur Themen, bei denen ihr, „protestantisches Gewissen“ schlägt.
Man denke an Rosa Luxemburg, an Theresienstadt, an die Gefallenen oder die
Baumeister von Nürnberg, an Nazi-Nürnberg 1933—45, dessen
Architektur in Stein und Licht den Deutschen so sehr ein Spiegel war. Diese
Themen greift Barbara Held-Weidner in einer Art auf, die gemahnen. Nicht vergessen
sollen wir, sondern uns mit der Vergangenheit und wo sie, zum Beispiel als
religiöser Fundamentalismus, in der Gegenwart gefährlich wirkt,
auseinandersetzen. Materialien sind bei Barbara Held-Weidner zweitrangig.
Aber im einfachen Sackleinen, den Dispersions(Binder)farben ist der Stoff
schon gegeben, der Idee und Kunst der Barbara Held-Weidner aufnimmt. Sie malt
nicht nur im traditionellen Sinne, sondern schüttet auch Farbe auf den
Untergrund, um sie dann mit Hilfe der Finger bis zur Gestalt der Idee auszumalen.
Das könnte den Gedanken an ,,Chaos“ aufkommen lassen. Aber sie
legt Gewicht auf gewisse Konzeptionen: Das Bildthema ist nicht vage sondern
präzise aufgegeben. Die Künstlerin hält die Waage zwischen
Chaos und Schöpfung, Form und Material, Name und Gestalt. Barbara Held-Weidner
studierte nach ihrer Theologenzeit noch einmal Kunstpädagogik an der
Bergischen Universität bei Michael Badura, der ihr ein ausgezeichneter
Lehrer war.
Daß sie als
Theologin nicht nur etwas von Gott sondern auch von den Menschen versteht,
kommt ihr jetzt zugute. Seit mehreren Jahren unterhält sie eine Malschule
in Cronenberg, die für Kinder und Erwachsene offen ist. Dort lernen Kinder
unter der Leitung von Barbara Held-Weidner das Malen, und wer als Kind keine
Ausbildung erhielt, versucht es noch einmal als Erwachsener. Die Künstlerin
weiß offenbar das kreative Potential bei jung und alt zu wecken. Sie
kann sich vor Anmeldungen kaum retten. Doch möchte sie nicht wieder in
die Lage kommen, in der sie als Hilfspredigerin schon einmal steckte, nämlich
keine Zeit mehr zu haben für die eigene Kunst. Diese Kunst will sie ausbilden.
Und auch die Kunst, sich weniger ablenken zu lassen.
Indessen gibt ihr
das pädagogische Interesse noch manche Aufgabe auf. So promoviert Barbara
Held-Weidner auch noch über ein Thema, das nicht nur für Wuppertal
interessant ist, nämlich über die Kulturpädagogik von Kurt
Herberts, der wohl Kulturbewußstsein und Kunstinteresse bei nahezu allen
seinen Mitarbeitern weckte.
Die Kunst der Malerin
Barbara Held-Weidner ist eine Mahnung des Gewissens, doch zugleich geistig-ästhetischer
Genuß. Das ist ein wesentlicher Schlüssel; denn anders als mit
Kunst ist den Menschen heutzutage auch kaum mehr ins Gewissen zu reden.
Thomas Illmaier
DER WEG, 27/1992, S. 12. Bilder: „Das Neue“ (1990) von Barbara
Held-Weidner und die Künstlerin selbst.