Peter
Michael Hamels ,,Die Endlösung“ in Koblenz uraufgeführt
An der Tragödie kann man zerbrechen
Zweieinhalb Stunden nehmen die Zuschauer an Peter Michael
Hamels szenischer Musikdarbietung auf der Festung Ehrenbreitstein teil. Sie
werden dabei durch zwölf Stationen der ,,Endlösung“ geführt.
Elektronische Klänge sind dabei selten. Orchester- und Kammermusik begleitet
das Spiel. Hamel, der als New Age-Komponist begann und so wunderbare Stücke
komponierte wie ,,Nada“, eine an indischen Vorbildern geschulte Musik,
würdigt jetzt mit seinem Requiem in Bildern die Toten und die Überlebenden
von Auschwitz. Die szenischen Darbietungen des dänischen Ensembles ,,Teatret
Cantabile 2“ unter der Leitung von Nullo Facchini bringen die wesentlichen
Ideen und Erkenntnisse von Auschwitz nahe an den Zuschauer heran. Das zu zeigen,
versuchen Hamel und seine Mitarbeiter, das Staatsorchester Rheinische Philharmonie
Koblenz, dirigiert von Alicja Mounk, die Sänger Maria Husmann (Sopran),
Johannes M. Kösters (Bariton) und Wolfgang von der Burg (Bariton/Sprecher),
außerdem das Septett des Staatsorchesters und die Schauspieler und Tänzer
des „Teatret Cantabile 2“. Willi Lindemann führt Klangregie.
Die Zuschauer sehen sich mit einer Natur des Menschen konfrontiert, die sich
dem Wahnsinn nähert, in Aggressionen ausbricht, aber auch in Liebe dahinschmilzt.
Die Darbietung der Japanerin Minako Saki wirkte so eindringlich, dass eine
peinliche Selbsterkenntnis manchen Zuschauer wegzusehen zwang. Aber es geht
um mehr als um „Vergangenheitsbewältigung“. „Die Endlösung“
ist eine abschreckende Zukunftsvision. Die lediglich auf die vier Aufführungen
Ende August 1996 beschränkte Darbietung von Peter Michael Hamel ist ein
Versuch, die sozialhygienische Funktion der griechischen Tragödie wiederzubeleben.
Für Hamel ist das keineswegs ein leichtes Unterfangen. Wer sich der Tragödie
nähert, kann daran zerbrechen, wie schon Goethe warnte. Hamels Schutz
der Klänge ist christlich motiviert: ,,Ich wünsche mir dekonditionierten
Hörer, d. h. einen, der kraft der Mittel, die ich als Musiker anwende,
aus dem gewohnten Korsett seiner Vorstellungen herausfällt, in die Ungeborgenheit
des schwarzen Loches hineinblicken muß, aber dann aufgefangen wird.“
Die Musik ist ein Hoffnungsträger des Humanen.
Thomas Illmaier
Junge Freiheit, 39/1996, S. 14. Bild: Szenenfoto.