Zeitlebens
ein Herr
Carl Grossberg - Retrospektive
Als Carl Grossberg seine Laufbahn als Maler begann, herrschte
in Deutschland eine eigenartige Stimmung, die von den fortschrittlichen Künstlern
getragen und ausgedrückt wurde. Walter Gropius, der Architekt und Gründer
des Bauhauses, sprach öffentlich zu seinen Studenten von der leitbildhaften
,,geistig-religiösen Idee, die in einem großen Gesamtkunstwerk
schließlich ihren kristallinen Ausdruck finden muß“. Das
war 1919. Carl Grossberg lebte damals als Student am Bauhaus in Weimar, wo
er Schüler von Lyonel Feininger war. Sein Einfluß zeigt sich in
Grossbergs Frühwerk ,,Häuser, Turm und Gebirge“ und ist gleichzeitig
Illustration von Gropius‘ Programm.
Der Kriegspessimismus
ist indessen aus Carl Grossbergs Werk wie auch aus seinem Leben nicht wegzudenken.
Grossbergs ,,Arche Noah“ (1923) bringt die Zweifel zum Ausdruck: Birgt
dieses Rettungsschiff tatsächlich die Fauna, die unser Leben, die Schöpfung
insgesamt rettete?
Carl Grossbergs große
produktive Phase liegt Ende der 20er, Anfang der 30er Jahre. Er träumt
von Amerika, kann sich aber nie die Überfahrt leisten. Er ist überwältigt
von den Möglichkeiten und der ungeheuren Formenwelt der Technik. Er malt
Heizkessel und Dampfmaschinen, Raffinerien und Hochbaukräne.
Als Soldat am Malen gehindert
In der Maschine sieht der Künstler nicht nur die Figur sondern den Ausdruck
des metaphysischen Bauplans der Schöpfung. Vor seinen Traumbildern ,,Rotor“
oder ,,Maschinensaal“ fragt man sich, was denn eigentlich erhabener
sei, die Technik oder die Natur?
Der 2. Weltkrieg
lastete schwer auf der Künstlerseele. Als er 1940 in Polen, später
in Frankreich als Soldat fortwährend gehindert wurde zu malen, gab er
seiner Melancholie gegenüber Freunden rückhaltlos Ausdruck: ,,Ein
Jahr Krieg hat mich verändert, Euch auch! Wenn ich wieder einmal vor
der Staffelei sitzen sollte, dann werden meine Bilder nicht mehr eine Hymne
auf die Zeit und das Leben sein, sondern dunkel. Ich habe es immer gefürchtet.“
Carl Grossberg, der
nach einem Autounfall in Frankreich 1940 starb, war, wie seine Tochter Eva
Grossberg betont, ein Herr, solange er lebte: Er wurde, als Besatzungsoffizier
in Polen, angezeigt, weil er sich geweigert hatte, in das Haus zu ziehen,
das man einem polnischem Rechtsanwalt mit zwei Töchtern weggenommen hatte.
Die Ausstellung ,,Carl Grossberg – Retrospektive zum 100. Geburtstag“
ist bis zum 9. Oktober im Von der Heydt-Museum zu sehen.
Thomas Illmaier
Bild: „Der Berliner Dom“ von Carl Grossberg.
DER WEG, 38/1994.