Leon GolubDIE MAGISCHE ERSTARRUNG
Großstadt-Graffiti 2001

Von Thomas Illmaier

Wer kennt sie nicht die magischen Zeichen: Graffiti-Kunst, die an die schwergewichtigen magischen Bilderzeichen der alten Maya erinnert? Tanzende Buchstaben, massive Phantasy-Schrift, in ihrer Bedeutung zutiefst magisch.
Doch gibt es Unterschiede: Wer die Schweiz bereist, wird feststellen, dass die magischen Buchstaben auch etwas bedeuten. Nicht so in Deutschland, wo die Magie nach innen gekehrt, nach außen beinahe unverständlich wird. Oft jedoch sind Namenszüge, Erkennungszeichen der persönlichen Handschrift, im Auftritt der Buchstaben-Balletts versteckt.
„Urban Discipline 2001 Graffiti Art“ zeigt die Sprayer bei der Arbeit und das Resultat im Werk. Disziplin verlangt jede Kunst wie überhaupt alles Wichtige im Leben. Die Artisten mieteten sich für 50.000 DM die zur Kunstadresse umfunktionierte alte Sortierhalle der Post am Hamburger Dammtorbahnhof und zeigten „Urban Discipline 2001“ nur ganze zehn Tage lang im Juni.
Das Ergebnis war eher enttäuschend. Keine tanzenden Buchstaben, keine Maya-Schrift. Die Künstler, so muten ihre Bilder an, waren bestrebt, sich als fromme Sprayer darzustellen, die auch noch etwas anderes können, als Buchstaben malen.
Die Aufweichung der Magie ist vollkommen. Sinnfällig in den Buchstabenzyklen des Sprayers „daim“, der bestrebt ist, die visuelle Zertrümmerung seiner Buchstaben in Szene zu setzen, als crashten die Elemente zusammen. Der Dynamik ist der Zerstörung der eigenen konkreten Bildelemente gewidmet. Der Bruch ist elementar, die Revolution entlässt ihre Kinder.
Die Kunst im Museum ist nicht Underground. Wer echte Graffiti im urbanen Kontext sehen will, muss weiterhin den Dschungel der Großstädte bereisen. Dort ist der wahre, anonyme Zeitgeist einer starken Underground-Kultur sichtbar, deren Magie nicht nur ein Zeichen setzte, sondern selber unverwechselbares Zeichen ist.
Katalog 48,00 DM. Kontakt: Getting up, Fax 040-780 736-22.

Zschr. Grow, 5/2001, S.14-15. Viele Fotos.


 

 

 

 

 

 


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