Malerei:
Karl Gatermann
Welt der Sinne
Karl Gatermann und die Welt des Impressionismus
Namen wie Theodor Rocholl oder Karl Gatermann kennt heute
niemand mehr, es sei denn durch Zufall, wenn ihre Bilder, große Maler
die sie waren, auf den Streifzügen durch die Welt der Kunst uns begegnen.
Karl Gatermann war Lübecker, Schleswig-Holsteiner und der nordischen
Landschaft seit Kindesbeinen verwachsen; hingegeben an ihre Schönheiten:
Der Himmel, das Meer, die weiten Acker und Fluten. Seine malerische Ausbildung
erhielt Karl Gatermann in Lübeck und München. Wie durch einen Zufall
findet sich heute ein Großteil seiner Bilder in Wuppertal, in der Privatsammlung
des Arztes Bernd Gatermann, eines Großneffen des 1959 verstorbenen Meisters.
Gatermanns Bilder leben aus dem Hauch des Impressionismus. Ein norddeutscher
Kritiker nannte ihn einen ,,der großen und letzten Impressionisten“.
Seine Bilder erregen – das stimmt – so gut sind sie!
Die nordische Landschaft
findet in Gatermanns Impressionismus ihren wahren Spiegel. Ohne gekünstelt
oder kapriziös wie die französischen Vorbilder zu sein, kreierte
Gatermann vielmehr seinen niederdeutschen Stil, der die Einfachheit des ländlichen
Lehens bei aller Schönheit der Natur, die Gatermann demütig durch
seine Sinne empfing und sie, aufgelöst in die vielfältigen Lichtreflexe,
treu wiedergab.
Gatermanns einfaches,
aber lebendiges Wesen, das ganz der Naturschönheit hingegeben war, wurde
jedoch durch sein Elternhaus stark christlich geprägt. Seine Mutter,
besonders nach dem Tode des Vaters von Karl Gatermann, erzog den Knaben streng,
aber hoffnungsfroh im christlichen Geiste. Römische Kirchen, besonders
St. Peter in Rom, oder die Marienkirche in Lübeck sind zwar ,,delikate
Visionen“, wie es in den Hamburger Nachrichten 1926 über Gatermanns
Bilder hieß; aber sein christliches Lebens- und Weltgefühl entsprang
nirgends so rein wie in seiner starken Bindung zur Natur, die er als Gottes
wahre Schöpfung in einer inneren Beziehung zu seinem Menschenherzen erlebte
und der Nachwelt in seinen Bildern schenkte. Das Bibelwort vom Ringen mit
dem Engel verstand er nämlich so: ,,Man soll nicht so viel mit dem eigenen
Engel ringen, sondern mit dem, den man in einem Baum oder Strauch oder in
einer weiträumigen Landschaft sieht; der segnet Dich dann auch.“
Schicksalsschläge
wie der Luftangriff auf Lübeck, der allererste dieser Art auf eine deutsche
Stadt, beraubte den Künstler in der Schreckensnacht des Palmsonntag 1942
zwar seiner gesamten Habe – cirka 500 Bilder, die ihm einst das Alter
durch Verkäufe erleichtern sollten, wurden vernichtet; Gatermann fing
aber wieder sofort an zu arbeiten, um den Verlust so schnell wie möglich
auszugleichen. Vernichtet wurde denn auch das bedeutende Werk ,,Das Leben“,
das allerdings unersetzbar bleibt. Dem Chronisten zufolge ,,stellte es die
aufwärts strebenden Menschen dar, wie sie ein imaginäres Ziel zu
erreichen versuchten; einige wenige waren erfolgreich; die große Menge
jedoch stürzte zurück in unbekannte Tiefen. In den drei Hauptfiguren
hatte Gatermann sich selbst dargestellt.“ Karl Gatermann verstarb 1959
an den Folgen eines Gehirnschlags.
He snackt Platt —
und so wird er den Westfalen, die ja bei uns auf den Dörfern auch noch
das Niederdeutsche pflegen und überliefern, ein treuer Gefährte
auch im nächsten Jahrtausend sein. Die Festigkeit und der unbeirrte Blick
des Malers gaben den Ton für den niederdeutschen Stil an, der auch in
Zukunft in unserer Heimat ein kräftiges Wörtchen mitzureden hat.
Karl Garermanns Bilder
sind heute über die ganze Welt verstreut: In den USA, Frankreich, England,
Belgien, Schweden, Dänemark, Österreich und Deutschland. Zum 700jährigen
Jubiläum von Stockholm im Jahre 1953 schenkte die Stadt Lübeck ihrer
schwedischen Schwester die bedeutende Stadtansicht Lübecks von Karl Gatermann.
Sein großartiges Gemälde der alten Hansestadt kann heute von allen
Skandinavienfahrern im Rathaus zu Stockholm bewundert werden.
THOMAS ILLMAIER
Bild: Ratzeburger See um 1935 von Karl Gatermann
Bergische Blätter, 3/1998, S. 26.