Machtlosigkeit der Kinder in der Welt
Drei Stilzyklen von Hildegard Enderle / Naturalistisches, Magisches und Kinderbilder

Der Stil eines Künstlers ist nicht immer ein Gütezeichen, sondern oft ein Markenzeichen, das auf dem Kunstmarkt den Geldwert des Künstlers bestimmt. Man erkennt ihn wieder, und das ist wichtig für einen Künstler, der bekannt werden will. Und welcher Künstler wollte das nicht? Was wäre aus Gauguin geworden, hätte man seine ,,Südsee“ – Bilder in Europa nicht sofort wiedererkannt? Diese und ähnliche „Querblicke“ verdanken wir Esther Vilar.
Betrachtet man die ausgestellten Werke von Hildegard Enderle in der Backstubengalerie, ist man erstaunt, wie wenig sich die ausgestellten Werke gleichen. Gezeigt werden naturalistische Werke, spirituell-packende, weil die Seele in der Tiefe ergreifende, und zuletzt zeitlich am jüngsten – die sogenannte Kinderbilder. Daß sich hinter allen drei Stilzyklen ein und dieselbe ,,Handschrift“ verbirgt, frappiert.
Die Kinderbilder sind in der lebendigen Auseinandersetzung mit Kindern entstanden. Oft ist das selbe Thema von Kindern und von der Künstlerin geschaffen. Die Kinderbilder sind chaotischer und naiver. Die Bilder der Künstlerin zeigen die Meisterschaft, Farbe und Form führende Hand. Sie zeigen die Reife des Alters und die Wahrheit des Clowns, der ernst sein kann in seinen Possen. Die Künstlerin zeigt auf die Machtlosigkeit der Kinder in der Welt – sie haben keine Arme, was sie nicht nur am Kampf, sondern vor allem auch am Spiel hindert. Trotzdem hilft der Erwachsene mit seiner Kunst, das Spiel des Kindes durch Harmonie zu gestalten. Hildegard Enderles Bilder sind nicht nur für Kinder gemalt – für uns Erwachsene sind sie auch Mahnung, die Kinderwelt aus eigener Erfahrung nicht zu vergessen.
Besondere Beachtung in dieser Ausstellung gebührt Hildegard Enderles magischen Bildern, etwa der ,,Eiffellandschaft in blauem Licht“.
Hildegard Enderle war Zeugin von Willi Baumeister. Sie hatte Zugang zu dessen Wuppertaler Atelier, das sich im Keller des Architekturbüros Rasch befand, wo sie Praktikantin war (Backstubengalerie, Schreinerstraße 7, bis 20.12., mi 16 bis 19 Uhr, so 11 bis 13 Uhr). Thomas Illmaier

Westdeutsche Zeitung / Generalanzeiger, 6. Dez. 1991, S. 18.



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