William EgglestonVon der Wirklichkeit in die Tiefe gezogen
Photographien von William Eggleston sind in den Räumen für neue Kunst Wuppertal
noch bis 14. März zu sehen

Was William Eggleston, den Baumwollpflanzer und Südstaaten-Millionär bewog, Fotographie in Farbe zu betreiben, war ein negativer Grund: Er mochte seine Umwelt nicht. Obwohl er schon Anfang der 70er Jahre von amerikanischen Museumsdirektoren entdeckt wurde, dauerte es doch bis 1976, bis seine erste Einzelausstellung in New York zustande kam. Was es mit den Fotos von Eggleston auf sich hat, bringt der Popstar David Byrne, Sänger von Talking Heads, vielleicht am besten zum Ausdruck: »Bill Egglestons Zeug hat mich zuerst nicht als gute Photographie beeindruckt. Ich meine, es ist nicht alles scharf, das Hauptmotiv ist nicht in der Mitte, sondern manchmal sogar angeschnitten, und der Ausschnitt ist bestimmt nicht so, wie es im Kodak-Handbuch beschrieben wird. Aber ich habe sie immer wieder angeschaut. Immer mehr und mehr. Als wenn ich, wenn ich sie nur lange genug anstarren würde, ihr Geheimnis entdecken würde und warum sie mich verwirren. Und jedesmal, wenn ich dachte, ich hätte das ihnen zugrunde liegende System erkannt, habe ich etwas anderes entdeckt, das mich wie bei einer Achterhahnfahrt in die Tiefe ziehen würde.«
Dieser nachhaltige Eindruck der Photographien Egglestons, daß das visuelle System, das seinen Bildern zugrunde liegt, offen ist, bringt den entscheidenden Moment der Erkenntnis: Egglestons Bildstrategie ist demokratisch, im echten Sinne. Alles kommt hier zur Wirkung. Es gibt nichts Häßliches dabei. Auch das Banalste – Dusche, Kühlschrank, eine Spüle, von dem Spiegel-Interieur des Elvis Presley-Hauses ganz zu schweigen – kommt hier zur Wirkung, hat Lebensrecht, Lebenswelt zu sein.
Thomas Illmaier

Junge Welt, 3. März 1994, S.14.
Bild: „Morton Mississipi“, alter Mann mit Revolver, 1974.






Seite Drucken zur Übersicht | Startseite