Malstation der Landesfrauenklinik
Patienten malen für Patienten

Patienten malen für Patienten und für sich selbst. In der Malstation der Landesfrauenklinik St. Antonius entstehen unter der fachkundigen Anleitung von Karin B. Becker Aquarelle, Bilder in Ölkreidetechnik und gelegentlich Seidenmalerei. Diese Bilder entstehen zum Spaß und zur Freude; sie dienen dazu, einen längeren oder kürzeren Krankenhausaufenthalt so angenehm wie möglich, ja zu einer reinen Begleiterscheinung zu machen.
Karin B. Becker ist ausgebildete Psychologin und Maltherapeutin. Ihre Aufgabe besteht darin, Patientinnen, die durch ihren Krankenhausaufenthalt aus dem Alltag gerissen sind, über die Ängste, die mit Krankheiten oder mit der bevorstehenden Entbindung zu tun haben, hinwegzuhelfen. Dies gelingt Frau Becker und den Frauen in ihrer malerischen Arbeit offenbar gut. Wer sich im neuen Atelierraum der Malstation auf St. Antonius umschaut, ist überrascht, wieviel Kreativität hier geboren und in anschauliche Formen, zumeist in Aquarelltechnik, umgesetzt wird. Frauen malen, Frauen sind kreativ. Ist jeder Mensch ein Künstler? Frau Becker verneint das, räumt aber ein, daß mit behutsamer Förderung fast jeder Mensch sein künstlerisches Talent zum Ausdruck bringen kann. Nicht alle über das Malen. Talente sind unterschiedlich verteilt: da schreibt einer lieber oder tanzt.
Karin Becker ist auch ausgebildete Gestalttherapeutin, Ihrem Anspruch gemäß wollte sie ursprünglich die Maltherapie verwenden. um Ängste der Frauen bildnerisch bewußt zu machen, um Probleme aufarbeiten zu können. Angst ist das wichtigste Thema; sei es die Angst vor der bevorstehenden Entbindung oder die Angst vor der Operation, die im Falle von Krebs, zum Beispiel bei einer Brustamputation, in eine existentielle Krise führen kann. Diese Ängste in der Maltherapie direkt abzubauen ist Frau Becker nicht gelungen. Vielmehr haben die Patientinnen ihr dabei einen Strich durch die Rechnung gemacht. Denn das Medium des Schönen, die Malerei, sollte in den Augen der Patientinnen nicht zur Darstellung des Leides dienen. Das hat sich immer wieder gezeigt: Malen wollen die oft von Lebens-, ja Todesangst bedrängten Frauen das Schöne, das sie am Leben erhält oder ihnen doch das Leben erträglicher macht, wenn Leiden schon nicht abzuwenden sind. So entstehen immer wieder Motive aus der Natur wie Blumen. Bäume, Landschaften, Vögel, Schmetterlinge und all das, was das Menschenherz erfreuen kann. Auch Problembilder entstehen, worin das Trauma, die Angst, sichtbar geworden ist. Auf Wunsch der Patientin spricht Frau Becker dann mit ihr über das Bild.
Es hat sich gezeigt, daß die Malerei, der freie, schöpferische Ausdruck gleichsam heilend wirkt. Fast alle Bilder sind positiv in ihrer Aussage. Sie werden gerne verschenkt oder schmücken die Zimmer der Patientinnen, auch jene Krankenzimmer, wo keine Malerin ,,zu Hause“ war. Die Patientinnen umgeben sich gerne mit diesen Bildern, egal ob sie sie nun selbst gemalt haben oder nicht. 1991 fand eine große Ausstellung der Malstation St. Antonius statt, die den Titel „Patienten malen für Patienten“ trug. Sie war ein voller Erfolg. Denn selbst wer nicht malen kann oder mag, erfreut sich doch an den Bildern, die mit Liebe und Hingabe gemalt sind. Wie stark das therapeutische Malen wirken kann, zeigt auch die Ausstellung der ehemaligen Patientin Gudrun Abeler: ,,Gedanken voller Hoffnung“, so der Titel, drücken aus, was die Malerei bewirken kann. Denn die Belebung schöpferischer Kräfte wirkt unmittelbar auf den Heilungsprozeß ein. Das gibt die Schulmedizin, wenn auch zögernd, doch inzwischen zu.
Maltherapie ist nicht eigentlich Ablenkung oder gar Verdrängung. Die Art, wie das Malen bei Frau Becker praktiziert wird, ist eine Methode, neben den Ängsten und Unbequemlichkeiten, die ein Krankenhausaufenthalt mit sich bringt, die Kräfte des positiven Erlebnisses zu wecken und zu fördern. Dadurch nimmt eine mitunter hochdramatische Lebenssituation eine ganz andere ,,Farbe“ an.
Jede Patientin kann zu Frau Becker kommen. Niemand wird abgewiesen. Wenn auch nur ein Funken Sinn für Malerei, für Farbe und Form besteht (und wer hätte den nicht), kann und wird ein Bild entstehen.
Interessierte können die Ausstellung ,,Gedanken voller Hoffnung‘ in den Praxisräumen von Prof. Rüttgers, St. Antonius noch bis zum 31.12.1992 sehen.

THOMAS ILLMAIER

Bergische Blätter, 18/1992, S. 18.

 

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